Bericht vom November 2022

Es ist uns gelungen, drei von vier Autor*innen einer Studie über Klimadidaktik als Kooperationspartner*innen zu gewinnen. Wir waren durch die Lektüre Ihrer empirischen Metastudie zur Klimabildung aufmerksam geworden, die wir sehr empfehlen: The (Un)political Perspective on Climate Change in Education  – A Systematic Review. Sustainability, 14, 4194. https://doi.org/10.3390/su14074194 . Die zentrale These der Studie: die untersuchten Klimabildungskonzepte tragen zu einer Realitätsverzerrung bei.

In den in ihrer Studie untersuchten Klimabildungsmaterialien wird ein zu großes Gewicht auf die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels und auf individuelle Maßnahmen zur Reduzierung des persönlichen CO2-Fußabdrucks gelegt, so das Fazit Ihrer Sichtung von Studien über die Wirksamkeit von Klimabildung in der Schule. Viel wichtiger (aber zu selten) sei es, zu thematisieren, welche politischen Ereignisse und Konflikte in der Gesellschaft zu beobachten seien. Es sei wichtig, „to provide students with knowledge about the politicial perspective of climate change and empower them to participate in politics“(7). Es gehe darum, konflikt- und lösungsorientiert die Emissionsquellen präzise zu bestimmen und die Schülerinnen und Schüler beim „development of argumentation“(16) fit zu machen und „public sphere action“(17) zu bewerben.

Zudem möchten wir auf eine Veröffentlichung hinweisen, an der Johanne Kranz ebenfalls mitgewirkt hat: Andrea Möller, Johanna Kranz, Agnes Pürstinger & Veronika Winter, Professionsverantwortung in der Klimakrise: Klimawandel unterrichten. Befähigung Lehramtsstudierender zur Klimabildung als wichtiger Beitrag zum Erreichen der SDGs, in: Kubsch u.a., Lehrkräftebildung neu gedacht. Ein Praxishandbuch für die Lehre in den Naturwissenschaften und deren Didaktiken, Waxmann 2021, hier der Link.

Wir werden uns sehr darum bemühen, eine längerfristige Zusammenarbeit mit Johanna Kranz und dem Kompetenzzentrum für Klimafolgen herzustellen, denn im Rahmen der Ausbildungsveranstaltung VINN ist für jedes Halbjahr eine Veranstaltung zur Klimadidaktik vorgesehen. Zur Zeit planen wir, in der Veranstaltung anhand von „Gelingenskritieren“ Unterrichtsmaterial zu sichten, das die Teilnehmer*innen im Anschluss an die Veranstaltung im eigenen Unterricht erproben. Porftoliogestützt kann dann im Anschluss daran dialogisch portfoliogestützt zu reflektieren. Sollte die Kooperation erst im Herbst 2023 beginnen können, starten wir mit einem Besuch der Ausstellung KlimaX im Frankfurter Kommunikationsmuseum: https://www.mfk-frankfurt.de/klima-x/

Der 2.Tag der Dienstantrittsveranstaltung begann um 09:00 Uhr mit einem Impulsvortrag von Johanna Kranz (Land Rheinland-Pfalz, Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen), Petra Breitenmoser (PH Zürich, Didaktiken Natur- und Gesellschaftswissenschaften) und Martin Schwichow (PH Freiburg, Juniorprofessor für Physik und ihre Didaktik an der PH-Freiburg). Hier finden Sie die Folien zum Download und hier ist der Link zur Aufzeichnung des Vortrags.

Im Vortrag wurden die Erkenntnisse der Metastudie vorgestellt und vertieft: Ein großes Problem seien Fehlkonzepte, die zu einer verzerrten Wirklichkeitsvorstellung führen. Die Maßnahmen, die man leicht individuell umsetzen kann, z.B. kein Plastik verwenden oder Geräte in Standby setzen werden deutlich überschätzt, denn sie sind wenig wirksam (im Video Minute 39:00):

Die großen Emittenten sind die Energieproduktion und die Wirtschaft (Minute 46:00), deshalb mache es keinen Sinn, die Verantwortung den privaten Haushalten zuzuschieben, die nur für 10% der Emissionen verantwortlich sind:

Franziska Kranz wies zudem darauf hin, dass es eine sehr große Mehrheit für eine sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft gebe (48:50):

Es kommte darauf an, so Martin Schwichow, in der schulischen Klimabildungsarbeit auf die public sphere actions zu zielen, weil gerade diese eine hohe Hebelwirkung haben (ca. 57:00):

Besonders deutlich wird die Realitätsverzerrung in und durch schulische Klimabildung am Thema Müll:

Bildungsinterventionen thematisieren zu 18 % Müllvermeidung, der Müll habe aber nur einen sehr geringen Anteil von nur 3% an den Klimagasemissionen. Letztlich kann wohl festgestellt werden: Klimabildung geht dem Thema „politische Regulation“ systematisch aus dem Weg, nur 13% der Bildungsinterventionen, zu denen Studien vorliegen, thematisieren politische Regulation der Klimaemissionen und 88% Selbstverpflichtungen (siehe Tortendiagramm unten rechts). Klimabildung müsse politischer werden.

Besonders nachdenklich stimmte die Erkenntnis, dass nachweisbar ist: Hohe Bildung und hohes Wissen über Klimaschutz korreliert negativ mit der Vermeidung von CO2-Emissionen! Denn wer gebildet ist und viel über Klimaerhitzung weiß, verfügt über höhere Einkommen und mit der Höhe der Haushaltseinkommen steigt die Höhe der Emissionen.

Der Impulsvortrag war der fehlende dritte Baustein der am Vortag begonnenen Sachanalyse der Sache „Menschheitsaufgabe Klimaschutz“, auf deren Grundlage die jungen Kolleg*innen am 2.Tag der Dienstantrittsveranstaltung eine kurze Unterrichtssequenz planen und simulieren. Auf der Basis des Impultsvortrags konnten einige Aspekte, die die „Eigenstruktur der Sache [Klimaschutz]“(Gruschka 2009, 479) ausmachen, geklärt werden (siehe Grafik unten). Als Lehrkraft, die zum Thema „Klimaschutz“ unterrichten will, muss man u.a. wissen und erklären können:
1. wirksamer als individuelle und freiwillige Maßnahmen wie z.B. Müllvermeidung ist die politische Regulierung der Produktionsweise,
2. wirksamer als freiwilliger Selbstverzicht ist das Einfordern von politischen Regulierungen in der Produktion von Energie und Industriewaren durch politisches Engagement.

Der Inpusvortrag sollte als Grundlage für die Praxisphase, für die Einübung der Kernpraktik „ein Klassengespräch führen“ am zweiten Tag des Dienstantritts dienen:

Im Anschluss an ein gemeinsames Betrachten des Kurzfilms „Ihr habt es in der Hand“, den die Filmemacher 2012 mit Jugendlichen als Zeichentrickfilm gedreht haben, sollen die Teilnehmer*innen ein Klassengespräch zum Einstieg in die Thematik moderieren.

Der als Trickfilm gestaltete Kurzfilm zeigt eine Reihe von Problemen, die durch die Klimaerhitzung ausgelöst werden (Hitze als Extremwetter, Trockenheit, Luftverschmutzung durch Autoverkehr, Migrationsbewegungen …) und gibt Hinweise darauf, welche Lösungen zu ergreifen wären (Aufforstung, Energiesparen, Energiewende durch Photovoltaik und Windkraft). Der Film trägt den Titel „Ihr habt es in der Hand“ und endet mit der Einblendung des Satzes: „Änder‘ was, bevor’s das Klima tut“ sowie mit einem Lied, das mit ironischem Ton vorschlägt, „am besten gleich daheim“ zu bleiben.

Er scheint auf den ersten Blick die These zu vertreten, dass wir eine gesellschaftliche Transformation hin zu einer nachhaltig sich entwickelnden Gesellschaft „in der Hand haben“. Das wirft die Frage auf, ob Schülerinnen und Schüler eine Transformation der Gesellschaft wirklich in der Hand haben. Genauer gesagt: Der Film wirft die Frage auf, welche individuellen Möglichkeiten es und welche politischen Notwendigkeiten für eine Transformation es gibt.

Die Gespräche wurden als Peer-Microteaching in Simulationen geführt und ausgewertet. Sie zeigen, dass es den jungen Lehrkräften gut gelungen ist, die Kernpraktik „Klassengespräch“ anzuwenden, mit einer Gruppe ein Gespräch zu einem Thema anzuleiten und dabei darauf zu achten, das dialogische Lernen zu fördern.

Eine Rekonstruktion von zwei Gesprächen zum Nachlesen finden Sie hier:

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