Workshop Klimabildung mit Johanna Kranz

Nachmittag für einen lösungsorientierten Klimabildungsunterricht

Mit einer Auftaktveranstaltung unter Leitung von Dr. Johanna Kranz aus dem Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen Rheinland-Pfalz begann am 11. Oktober 2023 um 14 Uhr eine langfristig angelegte Fortbildungsreihe in der Bildungsregion rund um die Studienseminare Bad Vilbel.

Ziel der Reihe ist es, Lehrkräfte fit dafür zu machen, wirksam zum Thema „Wie kann die Menschheitsaufgabe Klimaschutz gelöst werden?“ zu unterrichten.

Dreieinhalb Stunden lang machten sich 13 Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und 5 Ausbildende der Bad Vilbeler Studienseminare auf die Suche nach Möglichkeiten, in der Schule wissenschaftsfundiert mit Schülerinnen und Schüler darüber zu sprechen, mit welchen Handlungen die menschengemachte Erderhitzung auf 1,5 Grad begrenzt werden kann. Arbeitsaufträge und Übungen, die im Unterricht eingesetzt werden können, wurden analysiert, erprobt und reflektiert. Was nahmen die Lehrkräfte am Ende mit zur Erprobung in die Schulen?

Zunächst einmal die Erkenntnis, dass es sich lohnt, überhaupt über Klima zu reden! Denn die Mehrheit in der Gesellschaft, die wirksame und schnelle Klimaschutzmaßnahmen wünscht, hat oft das Gefühl, in der Minderheit zu sein, wenn die Schweigespirale nicht durchbrochen wird. „Wir sprechen zu wenig über Klimaschutz!“, so Johanna Kranz. „9 von 10 Menschen, so zeigen wissenschaftliche Studien, unterstützen das Ziel, die deutsche Wirtschaft umwelt- und klimafreundlich umzubauen. Aber die ökologische Mehrheit“, sagt Johanna Kranz mit Blick auf die Erkenntnisse der Klimaforschung, „weiß nicht, dass sie die Mehrheit ist“.

Wie aber spricht man in der Schule wirksam über Klimaschutz? „Bislang dachten wir: Wir müssen Wissen vermitteln. Inzwischen geht es in der Klimadidaktik, vermehrt darum, mit den Lernenden herauszuarbeiten, wie man ins Handeln kommt,“ fasst Kranz zusammen und schlägt eine Reihe von Übungen vor.

Zunächst eine erste Übung, den Austausch über die Frage „Was würdest Du, z.B. an deiner Schule, gerne als erstes in Sachen Klimaschutz tun (mit unbegrenztem Budget)?“ Es stellt sich heraus, dass die Übung ein hohes Potential hat. Das Gespräch macht anschaulich, dass alle grundsätzlich bereit zu klimaschützenden Handlungen sind, dass es eine Mehrheit für Klimaschutz gibt und das schnelle Maßnahmen für Klimaschutz möglich sind, wenn das notwendige Geld zur Verfügung steht. Dieses Geld muss die Politik entweder durch das Klimageld oder durch Subventionen und Investitionen zur Verfügung stellen.

„Schätzt mal, welche Maßnahme wie viel für die Einsparung von CO2 bringt!“ ist die zweite Übung, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bald in den Schulen erproben werden. „Denn es ist ein großes Problem, wenn Menschen nicht wissen, welche Klimaschutzmaßnahmen wirksam sind und welche nur einen geringen Effekt haben“, sagt Johanna Kranz. Und es zeigt sich, dass viele Maßnahmen wie z.B. der Verzicht auf Plastiktüten und das Ausschalten von Elektrogeräten auch von den Lehrkräften überschätzt werden. Wirklich wirksam ist vielmehr u.a. der Einbau moderner Heizungen plus Wärmedämmung und ein Verzicht auf Flugreisen.

J.Kranz stellt abschließend eine dritte Übung vor. „Könnten Sie sich vorstellen, mit Ihren Schülerinnen und Schülern die folgende Übung zu machen: Schlagt drei Klimaschutz-Maßnahmen vor und ordnet sie nach dem Schema ‚Das mache ich als Einzelperson um mein Verhalten oder um die Strukturen für viele zu verändern‘ und ‚Das mache ich mit anderen um mein Verhalten oder um die Strukturen für viele so zu verändern, dass sie ihr Verhalten verändern können‘“? In der Erprobung und Reflexion zeigt sich: Durch diese Übungen lernen Kinder eine Vielzahl an Klimaschutzmaßnahmen kennen. Und sie lernen zu beurteilen, was man durch individuelle Verhaltensveränderungen im Kleinen in Gang setzen kann und wie man durch kollektives Handeln die klimaerhitzenden Strukturen deutlich wirksamer verändern könnte. Z.B. durch ein Engagement mit vielen anderen für den Bau von Radwegen zu den Schulen oder für die Installation von Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen in den Schulen, damit die Schule ohne fossile Energieträger beleuchtet und beheizt werden kann. Der Klimabildungsnachmittag war der Auftakt einer mehrteiligen Veranstaltung, die alle sechs Monate stattfinden wird. In der Folgeveranstaltung wird empfehlenswertes Unterrichtsmaterial im Zentrum stehen und die unterrichtspraktischen Erfahrungen, die bis dahin gemacht worden sind. Nähere Informationen zur nächsten Veranstaltung sind auf der Homepage des Studienseminars für Gymnasien Bad Vilbel zu finden.

Ergänzende Hinweise zu den folgenden Übungen, die in dem Modernen Fremdsprachen, in Geografie, Politik und Wirtschaft und sicher auch in anderen Fächern genutzt werden können:

Übung 1: Austausch über die Frage „Was würdest Du, z.B. an deiner Schule, gerne als erstes in Sachen Klimaschutz tun (mit unbegrenztem Budget)?“

Johanna Kranz stellt zurecht fest: „Aus der Schweigespirale ausbrechen, damit die Klimakrise dort ankommt, wo Entscheidungen getroffen werden!“.

Der Austausch über die Frage in Übung1 entfaltet eine erstaunliche Wirkung: Im Gespräch über diese Frage wird schnell deutlich, dass alle im Raum (es mag Ausnahmen geben, wenn Klimaleugner im Raum sind) Klimaschutzmaßnahmen wollen. Das schafft zunächst einmal eine Atmosphäre der Ermutigung und eine Aufbruchsstimmung. Die Frage nach dem notwendigen Budget hat ebenfalls ein großes Erkenntnispotential. Sie lässt erkennen, dass es für sozial wenig privilegierte finanzielle Unterstützung braucht, wenn sie sich auf den Weg zur Klimaneutralität machen sollen, z.B. durch das Klimageld, das im Koalitionsvertrag der Ampelregierung steht, aber noch nicht umgesetzt worden ist. Zudem kann in den Blick genommen werden, dass staatliche Investitionen sinnvoll sind. Es braucht massive Investitionen in den Klimaschutz. Mit der Schuldenbremse und ohne Investitionen wird es schwer, die Wende hin zur Klimaneutralität zu schaffen. In der Auswertung kommt es darauf an, die Maßnahmen zunächst einmal ergebnisoffen auf ihre Wirksamkeit hin zu befragen. Das kann gut zur Übung 2 überleiten, in der dann exemplarisch geklärt wird, was wirkt und was kaum wirkt.

Übung 2: „Schätzt mal, welche Maßnahme wie viel für den Klimaschutz bringt!“

Vielfach weiß man nicht, welche Maßnahmen wirklich viel CO2-Emissionen und Emissionen anderer klimaerhitzender Treibhausgase einsparen. Mit der Auswertung einer wissenschaftsbasierten Liste mit validen Daten über die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen kann man das Handeln von Menschen, die sich für Klimaschutz engagieren wollen, wirksamer machen.

Übung 3: „Schlagt drei Klimaschutz-Maßnahmen vor und ordnet sie nach dem Schema ‚Das mache ich als Einzelperson um mein Verhalten oder um die Strukturen für viele zu verändern‘ und ‚Das mache ich mit anderen um mein Verhalten oder die Strukturen für viele zu verändern‘“?“

Didaktische Hinweise: Lange war der prägende Ansatz in der Klimabildung, „Wir müssten vor allem naturwissenschaftliches Wissen über die Klimaerhitzung vermitteln, um klimaneutrales Handeln zu fördern. Inzwischen geht es vielmehr darum, zu diskutieren, wie man schnell und wirksam Handeln kann. Übung 3 verfolgt genau dieses Ziel! Der Arbeitsauftrag lautet: „Was können Menschen gegen die Klimakrise tun? Notiere drei Maßnahmen!“ Nach einer Partnerarbeit werden die Zettel im Schema einer Fläche in einem Diagramm zugeordnet, das verschiedene Verantwortungs- und Handlungsebenen unterscheidet. Das Diagramm funktioniert wie folgt: Habe ich eine Maßnahme gewählt, die ich als Individuum umsetze mit dem Ziel, mein Verhalten zu verändern, dann ist sie im Bereich links oben einzuordnen. Habe ich eine Maßnahme notiert, die ich als Individuum umsetze, um Strukturen und Rahmenbedingungen zu verändern, die vielen Menschen ein nachhaltiges Leben ermöglichen, dann oben rechts. Agiert eine Gruppe, also ich in einem Kollektiv durch Maßnahmen mit anderen, um mir zu ermöglichen, mein Verhalten zu ändern, unten links. Und ermöglicht ein Kollektiv durch Maßnahmen vielen Menschen andere Rahmenbedingungen zu geben, unten rechts. In der Auswertung geht es im vertiefenden Klassengespräch darum, zunächst zu diskutieren, ob denn alle Handlungen richtig zugeordnet worden sind (einige sind mehreren „Ebenen“ zuordbar). Abschließend kann und sollte mit der Lerngruppe diskutiert werden, welche der Handlungen nicht nur auf der Pinnwand stehen sollten, sondern von der Klasse weiterverfolgt werden könnten.

J.Kranz schlägt vor, verschiedene konkrete Maßnahmen im Fachunterricht zu betrachten, um sie in das Schema einzuordnen.

Der Austausch zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zeigt, dass sich bereits einiges an den Schulen tut und dass junge Lehrkräfte schon recht genau wissen, was es braucht, damit Klimadidaktik an den Schulen implementiert werden kann:

„Es wäre gut, wenn es im Lehrplan verankert wäre, dann wäre es unsere Aufgabe, zu überlegen, wie es gemacht werden kann und nicht wo und ob.“

„Das Thema sollte nicht von allen in die E-Phase gepackt werden, weil da kurz vor der Q-Phase noch Gestaltungsraum ist, sondern systematisch und stringent in die Sekundarstufe 1 eingebunden werden.“

Welch gute Ergebnisse sich erzielen lassen, wenn man danach fragt, welche Gefühle die Klimaerhitzung bei uns auslöst, zeigt sich an den folgenden Redebeiträgen:

Frage: Was machen die Katastrophenmeldungen mit uns?

Antworten: „Man weiß es und dann kommt das nächste, und es kommt dann doch durch die permanenten Katastrophenmeldungen dazu: man stumpft halt ab“. „Ich werde wütend, wenn man im Bekanntenkreis herumschaut, da fragt man sich, ‚Was ist das Problem der Leute? [dass da nichts getan wird]`“ „Man ist sich auch dessen bewusst, dass man als einfacher Bürger kaum was bewegen kann. Vielleicht lebt der Mensch gerne über die planetaren Grenzen hinweg, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Solange es einen selber nicht betrifft, ändert man nichts. Es nimmt Alltagscharakter an. Man gewöhnt sich daran.“ „Wir sind dann doch direkt betroffen. Und man hat keine direkte Erklärung, warum nichts getan wird. Es macht einfach Angst. Was mich wütend macht, ist, dass die Medien nur über das Versagen der lokalen Behörden beim Krisenmanagement berichten, aber nicht über das jahrzehntelange Versagen der Politik beim Klimaschutz.“ „Bei Spaziergängen fällt schon auf, dass Bäche austrocknen und die Wälder trocken sind. Aber man verdrängt es auch wieder.“

Wut und der erstaunte Blick auf die Verdrängungsmechanismen in uns könne Katalysatoren für Erkenntnis sein und eine Motivationsquelle!

Johanna Kranz merkt dazu ermutigend an: „Als bei mir einmal der Klimagroschen gefallen ist, habe ich die Welt anders gesehen. Es gibt viele Lösungen! Es ist weiter möglich, das 1,5 Grad Limit nicht zu überschreiten.“

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