„Vernetzen Sie sich“ und erwerben Sie Grundwissen über Klimaschutz (Alexander Eichberger, 02.11.2023)

Klassengespräche haben ein hohes Potential, Schülerinnen und Schüler kognitiv zu aktivieren, konstruktiv zu unterstützen und zum kooperativen Arbeiten anzuleiten. Und Klassengespräche über die menschengemachte Erderhitzung und über Klimaschutz standen im Zentrum der Dienstantrittsveranstaltung der zum 1. November neu eingestellten Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst. Exemplarisch an der Sache „Menschheitsaufgabe Klimaschutz“ analysierten, erprobten und reflektierten die 48 jungen Lehrkräfte, worauf bei der Planung von Klassengesprächen zu achten ist. Alle Übungen waren auf das Ziel ausgerichtet, am Nachmittag des 2. Dienstantrittstages im Rahmen eines Peer-Micro-Teachings ein Gespräch zum Einstieg in eine Klimaschutz-Thematik moderieren zu können.

Was aber sind die Bedingungen gelingender Klassengespräche? Um Klassengespräche lernwirksam moderieren zu können, erstellen erfahrene Lehrpersonen vorab eine „Sachanalyse mit didaktischem Blick“. Sie machen sich dabei zunächst auf die Suche nach den Fragen, die die Sache für sie selbst aufwirft und für die sie sich interessieren – vielleicht sogar „leidenschaftlich“ interessieren, wie John Hattie es formuliert – und über die sie ggf. auch noch selbst etwas lernen wollen, wie es Martin Wagenschein beschrieb (siehe U.Fraefel, Kernpraktiken professioneller Lehrpersonen, 2020, 104). Sie diagnostizieren dann, wie ihre Schülerinnen und Schüler auf die Sache schauen und welche besonderen Impulsfragen sich aus dieser Perspektive ergeben könnten. Sie wählen dann drittens aus einer fachlichen Perspektive die Fragen aus, die die Sache aufwirft und die es im Unterricht wissenschaftsbasiert zu klären gilt, damit die Lernenden die Sache besser verstehen.

Am 1. Tag des Dienstantritts hatten die neuen Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf die Sache Klimaschutz eine Vielzahl von Fragen notiert: https://t1p.de/DA202311sroe

Klimadidaktische Prinzipien: Wie im Fachunterricht auch sind in der Klimadidaktik über Fragen hinaus Kompetenzbeschreibungen und fachspezifische Prinzipien zu beachten. Welche klimadidaktischen Prinzipien es inzwischen gibt, die auch bei den Gesprächen über Klimaschutz zu berücksichtigen werden sollten, erfuhren die Teilnehmenden am Nachmittag des 1. Tages. https://sts-gym-badvilbel.bildung.hessen.de/modul/tag1_klimadidaktik2.pptx   (hier in einer aktualisierten Version)

Alexander Eichberger von  https://www.unserklima.jetzt/about  (hier finden Sie auch seine Folien) referierte dann am 2. Tag des Dienstantritts zum Thema Klimaschutz mit dem Ziel, einige wichtigen Fragen zur Sache Klimaschutz zu beantworten. Denn einige Basisfakten, so Eichberger, muss man kennen, wenn man in der Schule über Klimaschutz spricht. Eichberger ist mit seiner Frau seit 2014 in der Klimabildung aktiv. Die beiden setzen sich dafür ein, in Vorträgen, Workshops und im Rahmen eines Filmfestivals ein Verständnis für „die für Klimaschutz notwendigen Maßnahmen … zu generieren“, die es braucht, damit wir die Menschheitsaufgabe Klimaschutz (David Klingenfeld) erfolgreich bewältigen können.

Klimaschutz muss gelernt werden! Es braucht, so Eichberger, zunächst einmal ein solides Grundwissen, um gegen Klimawandelleugnung immun zu sein und um die Notwendigkeit, sozial gerechter und schnell wirksam werdender Klimaschutzmaßnahmen anerkennen zu lernen.

In seiner Präsentation verdeutlichte Eichberger, was man wissen sollte, um wissenschaftsfundiert Positionen zu verschiedenen Klimaschutzmaßnahmen beurteilen zu können:

„Ein kühler Regentag im Sommer widerlegt nicht die Existenz der Klimaerhitzung“, denn:

Häufig höre man das Argument „Aber hat es heiße Sommertage nicht schon immer gegeben?“ Lehrkräfte sollten über Wissen verfügen, um hier Gespräche über Klimaschutz angemessen moderieren und wenn nötig selbst sinnvoll antworten zu können. Das folgende Basiswissen ist dann entscheidend: Die Jahrestemperaturen in Deutschland weichen zunehmend häufig, zunehmend deutlich und auf einer nichtlinearen Trendlinie von den Referenzperioden ab. Der Mensch hat sich in rasender Geschwindigkeit auf den Weg in eine Heiszeit gemacht:

Aber „wäre es nicht besser, technologieoffen zu bleiben und auf neuen Techniken zu hoffen?“. „Nein“, sagt Eichberger, denn das verbleibende CO2-Budget ist fast aufgebracht und wir haben keine Zeit mehr auf technische Erfindungen zu warten. Alle Techniken, die es braucht, sind schon verfügbar. Unser Klima müssen wir jetzt schützen. Denn das ist eine Frage der Generationengerechtigkeit!“. Wenn wir jetzt nicht die Kosten für Klimaschutz übernehmen, bezahlen die Jüngeren die Kosten für die Anpassung:

Die im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegte Temperaturwerte, die vom Bundestag am 22. September 2016 einstimmig über alle Parteigrenzen hinweg beschlossen worden sind, sind keine „politischen Werte“ wie von Populisten oft behauptet wird, sondern wissenschaftlich fundierte Ziele. Nur wenn es die Menschheit schafft, die Erderhitzung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, besteht noch die Möglichkeit, das Kippen von Kipppunkten noch aufzuhalten:

Entscheidend aber ist, dass Klimaschutz eine Frage der Moral ist. Die Länder, die arm sind und kaum CO2 emittiert haben, werden die Kosten der Klimakatastrophe zahlen müssen. Deutschland steht auf Platz 5 der Länder, die am meisten CO2 emittiert haben. Europa hat eindeutig die moralische Hauptverantwortung für Klimaschutz:

Am Ende seines Vortrags stellte Eichberger fest: „Wo kommen wir hin, wenn unsere Regierungen das Pariser Klimaschutzabkommen, einen völkerrechtlich bindenden Vertrag, einfach nicht einhalten will?“

„Das müssen Sie in den Schulen zu Thema machen und dafür ist es gut, wenn Sie sich vernetzen und die Zahlen und das notwendige Wissen parat haben!“  Politik ist bei Eichberger kein blinder Fleck :

„Wer glaubt, überall und beim Heizen und im Verkehr so weitermachen zu können, wie bisher, wird nicht vorankommen!“.

Die teilnehmenden Lehrkräfte hatten eine ganze Reihe Nachfragen: „Was kann man gegen den Frust tun, dass sich trotz Demonstrationen so wenig tut?“ „Was kann man gegen Stammtischparolen ausrichten?“ „Können wir hoffen, dass die Gerichte Klimaschutz durchsetzen?“ Ist 9t CO2-Fußabdruck eigentlich viel oder wenig?“ „Wieso handeln manche Politiker gegen die wissenschaftliche Evidenz?“ „Wie viel Treibhausgase in der Atmosphäre sind jetzt eigentlich wirklich vom Menschen emittiert? Hat das wirklich so einen großen Effekt. Oft heißt es ja, ‚das ist nur ein kleiner Anteil von den ohnehin nur ganz wenigen 0,04%-CO2 in der Atmosphäre menschengemacht sei!‘“

Einiges konnte geklärt und in den Nachmittag mitgenommen werden:

„Vernetzen Sie sich!“, „Wir müssen das normale klimaerhitzende Leben unserer Konsumgesellschaft stören.“ „Wissen gehört dazu, es lohnt sich, die Basisfakten, d.h. die genauen Zahlen parat zu haben.“  „Leider kann man politische Ziele nicht einklagen. Für die muss man in vielen Gesprächen überzeugen!“ „Volker Wissing weiß, dass schneller Klimaschutz notwendig ist. Warum er anders handelt kann ich nicht erklären.“

„Ein kleiner Teil, 0,04%-CO2, kann viel ausmachen. Das ganze System ist aus dem Gleichgewicht geraten. Wir müssen wissen: In der vorindustriellen Zeit waren es nur 280ppm, im Dezember 2022 schon 419 ppm. Da sind durch die fossilen Verbrennungen schon 140ppm hinzugekommen. Und weil nur sehr wenige Gase in der Atmosphäre einen Treibhausgaseffekt haben, ist diese Steigerung enorm noch.“

„Kann man überhaupt etwas erreichen, wenn man Gespräche über Klimaschutz führt?“ war die letzte Frage, die an Alexander Eichberger gerichtet wurde.

„Ja. Das kann man. Alleine die Tatsache, dass der Kohleausstieg 2030 beschlossen worden ist, zeigt, welche Fortschritte schon erreicht worden sind. Ohne die vielen Gespräche über Klimaschutz wäre das nicht durchsetzbar gewesen!“

In den Gesprächen über Klimaschutz am Nachmittag zeigte sich, dass engagiert über Klimaschutz geredet und gestritten wurde. Besonders ein move aus Fraefels Trainingsprogramm zeigte Wirkung:

Wer Schülerinnen und Schüler nicht fragen-entwickelnd ausfragt und belehrt, sondern sie fast so Bekannte aus der privaten Lebenswelt anspricht und ihnen zutraut, „echte Gespräche“ zu führen, kommt sehr schnell zu klugen Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen (vgl. hierzu Fraefel, Praktiken …, 104-111).

Wer sich weiter in Sachen Klimabildung vernetzen will ist hierzlich zum Klimadidaktikworkshop eingeladen, der unter Leitung von Dr. Johanna Kranz am 20. März 2024 von 14 bis 17:30 Uhr im Studienseminar stattfinden wird. Gerne können Sie auch interessierte Kolleginnen und Kollegen mitbringen. Die Teilnahme kann für VINN angerechnet werden.

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